Alternative Ligen
Dezentralisierende Strömungen gegen die Monopolstellung der Fußballverbände
Thiago Calderaro
Es kommt die Frage auf, ob trotz der traditionellen Bedeutung von Fan-Beteiligung, Fairness und sozialem Engagement im Fußball, alternative Ligen und Vereine eine echte Alternative zum Deutschen Fußball-Bund (DFB) darstellen können. Die Confederation of Football, ein alternativer Verband aus Leipzig, stellt sich seit 2018 als Konkurrenz zum DFB auf und organisiert einen unabhängigen Spiel- und Turnierbetrieb, der sich auf das EU-Wettbewerbsrecht stützt. Mit dem Ziel, den Fußballverband neu zu denken, fordert dieser Ansatz das Monopol des DFB heraus und plädiert für einen Fußball, der digitaler, serviceorientierter, partnerschaftlicher, demokratischer, transparenter und unabhängiger ist. Es ist zu hinterfragen, warum es Bedenken gegenüber einem Wettbewerb zwischen Verbänden gibt, und die Möglichkeit einer positiven Veränderung durch Konkurrenz betont, die den Fußball unbürokratischer, transparenter und demokratischer machen könnte.
Im deutschen Fußball, wo der DFB und die DFL mit der Männer-Bundesliga oft als unumstößliche Zentren wahrgenommen werden, entstehen alternative Strömungen, die eine Neuausrichtung des Spiels sowohl auf als auch abseits des Platzes fordern. Diese Bewegungen, motiviert durch den Wunsch nach mehr Teilhabe, politischem und sozialem Engagement sowie der Gestaltung des Spiels, hinterfragen das Monopol traditioneller Verbände auf den Sport. Inspiriert von der Vielfalt im Boxsport, wo Athleten in vier verschiedenen Verbänden Titel gewinnen können, suchen Fußballfans und -vereine nach neuen Wegen, ihre Liebe zum Spiel auszudrücken.
Alternative Ligen in Deutschland
- Die Wilde Liga Bielefeld: Ist die älteste alternative Fußballliga Deutschlands, die seit den späten 1970er Jahren besteht. Im Gegensatz zu traditionellen Ligen gründete sie sich nie als formeller Verein, sondern basiert auf freier und ehrenamtlicher Zusammenarbeit engagierter Personen. Die Liga legt besonderen Wert auf den respektvollen Umgang und Inklusivität, wobei alle, unabhängig von persönlichen Merkmalen oder Zugehörigkeiten, willkommen sind und mitspielen können. Das Wilde-Liga-Plenum, ihr höchstes Entscheidungsgremium, kommt viermal pro Saison zusammen, um über Regeln und organisatorische Details zu entscheiden. Die Finanzierung erfolgt durch Saisonbeiträge der Teams.
- E-Jugend-Spaß-Erhaltungsliga: Im Kreis Freiburg-Hochschwarzwald wurde auf Initiative des VFR Merzhausen eine Fußballliga durch 14 Clubs als direkter Widerstand zu den Reformen im Kinderfußball des südbadischen Fußballverbandes (SBFV) gegründet. Diese eigenständige Liga, genannt "E-Jugend-Spaß-Erhaltungsliga" (ESEL), wurde als Antwort auf die Unzufriedenheit mit den neuen Regeländerungen ins Leben gerufen. Die ESEL folgt den traditionellen Regeln des Fußballs, bei denen die Kinder Sieben gegen Sieben auf zwei Kleinfeldtore spielen, wobei eine Saison-Tabelle geführt wird. Die Kritik richtet sich gegen die Reformen des SBFV, die nach Ansicht einiger zu vielen Toren und damit zu weniger Emotionen und Jubel bei den Spielen führen würden. Der südbadische Fußballverband verteidigt die Reformen jedoch mit dem Ziel, den Spaß am Fußball zu erhöhen und das Ausscheiden von Kindern aus dem Sport zu verhindern. Was die neuen Regeln des Verbandes vorsehen findest du in folgendem Artikel: Neue Spielformen im Minifußball. Die Reformen werden von Dr. Wolfgang Meyers - Verantwortlicher der Liga - als autokratische Maßnahmen dargestellt, die den Betroffenen keinen Raum für Widerstand lassen, ähnlich historischen Beispielen politischer Unterdrückung. Er zieht Parallelen zu verschiedenen autoritären Regimen, um zu illustrieren, wie Menschen dazu gebracht werden, Vorschriften zu folgen, die sie nicht unterstützen, indem sie glauben gemacht werden, dass Widerstand zwecklos ist. Meyers argumentiert, dass solche Reformen den wahren Geist des Fußballs untergraben, indem sie den Wettbewerb und das traditionelle Mannschaftserlebnis minimieren. Er drückt Bedenken aus, dass diese Änderungen das Engagement von Spielern, Trainern und Eltern verringern könnten und dass sie letztendlich dem Jugendfußball schaden, anstatt ihn zu verbessern. Er hebt hervor, dass Fußball mehr ist als nur Ballkontakte und technische Fähigkeiten; es geht auch um Teamgeist, Wettbewerb und die Freude am Spiel.
Alternative Ligen in der Schweiz
- FSFV: Der Fortschrittlichen Schweizer Fussball-Verband (FSFV) wurde 1977 in Zürich als Gegenbewegung zum kommerziellen Fußball gegründet. Mit einem innovativen Regelwerk, das anfänglich sogar auf Schiedsrichter, Ranglisten, einheitliche Trikots und Fußballschuhe verzichtete. Heute hat der Verband 42 Mannschaften und über 650 Mitgliederinnen und Mitglieder mit einem kritischen Blick auf kommerzielle Aspekte wie das Tragen von Markentrikots.
- Alternative Fußball Liga St. Gallen: Es wird gänzlich auf Schiedsrichter verzichtet und die Mannschaftskapitäne sind für die Regelüberwachung und für die Meldung der Ergebnisse verantwortlich. "Die Abseitsregel wird nach Gutdünken angewendet, Tiqui-taca ist verpönt, Catenaccio im Zweifel, Kick and Rush erwünscht. Gespielt wird in vier Ligen, u.a. in der Bratwurst- oder der Senf-Liga." Die Regeln werden flexibel gehandhabt, und der Spielbetrieb ist in verschiedene Ligen unterteilt, die einen lockeren und integrativen Ansatz zum Fußball verfolgen, bei dem Spaß und Gemeinschaft im Vordergrund stehen.
Fenix Trophy in Italien
Die FENIX Trophy ist ein jährlicher Fußballwettbewerb für Amateurvereine, ins Leben gerufen vom Mailänder Fußballverein Brera Calcio. Der Wettbewerb, der seit 2021 ausgetragen wird, zeichnet sich dadurch aus, dass jedes teilnehmende Team einen karitativen Partnern hat. Es gelten die Prinzipien, die im Akronym FENIX zusammengefasst sind: freundlich, europäisch, nicht-professionell, innovativ und xenial (gastfreundlich). Diese Prinzipien spiegeln die Absicht wider, über den Fußball hinaus positive Werte wie soziales Engagement, Nachhaltigkeit und die Förderung von Freundschaft und gegenseitigem Respekt zwischen verschiedenen Kulturen zu stärken. Die Trophäe symbolisiert mit dem Bild des Phönix die Idee der Erneuerung und des Neubeginns im Fußball. Teilnehmende Clubs kommen aus ganz Europa und repräsentieren einen Gegenentwurf zum kommerzialisierten Profifußball, der durch Überkommerzialisierung, Entfremdung der Fans und mangelnde soziale Verantwortung kritisiert wird.